GP Tell 2006
Mit Petrus' Segen?
Opp. Hinter der 33. Austragung des GP Tell
vom 23. bis 27. August steht ein grosses Fragezeichen: Gibt Petrus
den international besten Radfahrern der Kategorie U23 Ende August
seinen Segen? Das bunt gemischte Teilnehmerfeld trifft bei seiner
Visite in der Zentralschweiz auf einen ausnehmend anspruchsvollen
Parcours. Auf den 585 Kilometern gilt es mehr als 9'000 Höhenmeter
zu überwinden. Bei der diesjährigen Auflage fehlt ein
längerer Wettbewerb gegen die Uhr. Ein potentieller Gesamtsieger
muss über ausgesprochene Fähigkeiten am Berg und Standvermögen
verfügen. Athleten mit entsprechenden Fähigkeiten gibt
es viele am Grand Prix Tell 2006.
Tourdirektor Guido Graf, nach der unwetterbedingten
Absage vor einem Jahr besorgt über die Zukunft "seines"
Rennens, freut sich auf die fünf Renntage Ende August. "Die
Resonanz bei unseren Partnern, Etappenorten und Sponsoren machen
mich ziemlich euphorisch. Ich kann es kaum erwarten bis der erste
Fahrer am 23. August beim Prolog in Luzern startet."
Wie bei der letzten Austragung vor zwei Jahren beginnt der Tell-Tross
mit einem knapp zwei Kilometer langen Prolog durch die Luzerner
Altstadt. Bei dieser Abendveranstaltung sind Fahrer mit ausgeprägten
technischen Fähigkeiten im Vorteil. Einige enge Kurven, ein
ruppiger Anstieg und kurze Geraden prägen den Einstieg in
den GP Tell 2006. Anforderungen also, die für Fahrer mit
Mountainbike- oder Radquererfahrung geradezu prädestiniert
sind. Auch neben der Strecke wird für Hochstimmung gesorgt
sein: Entlang des Prologparcours' sorgen internationale Musikbands
anlässlich des Strassenmusikfestivals dafür, dass die
Tellfahrer schon am ersten Tag an ihre Limiten gehen.
Auf den Etappen von Donnerstag bis Sonntag
werden vor allem die guten Bergfahrer auf ihre Kosten kommen.
Nie in der jüngeren Rennvergangenheit mussten so viele Höhenmeter
überwunden werden. Am meisten, genau 3'170 Höhenmeter
verteilt auf 143 Kilometern, stellen sich den Athleten am 25.
August auf der Etappe mit Start und Ziel in Kriens in den Weg.
Nach Glaubenbielen und Glaubenberg gilt es, 12 Kilometer vor dem
Zielstrich noch das Holderkäppeli zu überwinden. Ein
wahrlich nahrhaftes Dessert an diesem Tag.
Nicht viel weniger anforderungsreich gestalten
sich die restlichen Teilstücke. Die Charaktere der Rundstreckenetappen
in Sarnen und Pfaffnau sind ähnlich. Auf den mehrmals zu
absolvierenden Runden gibt es jeweils ein topographisches Haupthindernis.
Die Steigung nach Z'Mos auf der Sarnen-Etappe muss vier Mal bewältigt
werden. Den Aufstieg nach Netzelen am Samstag gilt es nicht weniger
als zehn Mal zu absolvieren. Sportchef Sepp Lötscher gibt
sich denn auch betont zufrieden mit der Streckenführung:
"Wir haben eine tolle Königsetappe konstruiert, die
ihresgleichen im internationalen Vergleich sucht. Daneben weisen
die anderen Etappen ähnliche Eigenschaften wie an der WM
auf, die die Nationalteams noch einmal simulieren wollen."
Mit Spannung darf auch die Schlussetappe von
Pfaffnau nach Sursee erwartet werden. Dieses Teilstück steht
punkto Schwierigkeitsgrad den anderen in nichts nach. Ein welliges
und coupiertes Profil prägt diesen Tag. Sollte die Entscheidung
im Gesamtklassement vor dem Sonntag noch nicht gefallen sein,
dürften die vier Zusatzrunden über Ränzligen -
Grosswangen noch einmal für Abstände sorgen. Mit der
Schlussetappe verbinden sich auch zwei jubilierende Veloclubs
miteinander. Die Radsporthochburg Pfaffnau feiert ihr 80-jähriges
Bestehen, während der VC Sursee heuer 70 Lenze zählt.
Einmal mehr trifft sich Ende August ein illustres
internationales Feld von Velofahrern, die am Anfang ihrer Karriere
als Berufsfahrer stehen. Zehn Landesauswahlen testen ihre besten
Kräfte auf ihre Leistungsfähigkeit einen Monat vor der
WM in Salzburg. Daneben starten sieben ausländische und drei
schweizerische Markenteams. Zum ersten Mal dabei ist die dominierende
Mannschaft im internationalen "U23-Geschäft": Das
holländische Rabobank Continental Team, die Nachwuchsabteilung
der gleichnamigen Protourmannschaft. Dieses Förderungsprogramm,
das in Europa seinesgleichen sucht, rekrutiert Jahr für Jahr
in den Niederlanden die besten Nachwuchsfahrer. So fällt
es schwer, in dieser Truppe einen Athleten als klaren Favoriten
für den GP Tell zu benennen. Alle haben bereits Top-10 Klassierungen
bei Mehretappenrennen erreicht. Aufgrund ihrer zuletzt erzielten
Spitzenplatzierungen sind Arjen de Baat und Tom Stamsnijder die
meisten Chancen einzuräumen
.
Als grösste Herausforderinnen können wohl die Nationalteams
von Slowenien und Frankreich bezeichnet werden. Nach dem Tell-Gesamtsieg
von Tomasz Nose 2004 stehen dieses Jahr Grega Bole und Miha vab
zuoberst in der internen Hierarchie der Slowenen. vab war
vor zwei Jahren bereits Gesamtfünfter an der Zentralschweizer
Rundfahrt. Grega Bole hat die international renommierte Regioni-Rundfahrt
in Italien auf dem 5. Platz abgeschlossen und ist der amtierende
Strassenmeister der Alpen-Adriarepublik.
Nach vierjähriger Abstinenz haben unsere westlichen Nachbarn
den GP Tell wieder als Selektionsrennen für die bevorstehende
Weltmeisterschaft auf ihrem Programm. Mit dem erst 19-jährigen
Cyril Gautier und dem 20-jährigen Pierre Rolland wissen die
Franzosen zwei Fahrer in ihren Reihen, die 2006 schon Mehretappenrennen
unter den besten zehn beendet haben.
Zu beachten gilt es mit Bestimmtheit auch die
deutsche Nationalmannschaft. Nach dem bestbekannten Patrick Sinkewitz
im Jahr 2000 steht mit Tony Martin erstmals wieder ein ernst zu
nehmender Kandidat für das Podest in Sursee in den Reihen
der Deutschen. Martin hat im Mai die renommierte Thüringenrundfahrt
am letzten Tag in Extremis für sich entschieden. Allerdings
hatte er zuletzt ein hartes Rennprogramm zu bewältigen und
die Vorbereitung auf die hoch angesehene Tour de l'Avenir anfangs
September in Frankreich ist angelaufen. Wie hoch deshalb der Stellenwert
des GP Tell bei Tony Martin ist, lässt sich aus der Ferne
nur schwerlich beurteilen.
Ein letzter Topfavorit kommt aus der Slowakei
und heisst Peter Velits. Er startet für das südafrikanische
Team Konica Minolta, das zum ersten Mal am GP Tell dabei sein
wird. Zusammen mit seinem Zwillingsbruder Martin hat Peter Velits
schon einige Toprangierungen an Etappenrennen erzielt. Der absolute
Spitzenplatz bei einem Kurs der Kategorie Espoir fehlt allerdings
noch in seinem Palmares. Velits dürfte sich auf dem anspruchsvollen
Parcours zuhause fühlen. 2005 war er mit seinem Vater, der
ihn als Coach betreut, bereits vier Tage vor dem Rennen in die
Schweiz gereist. Er wollte sich die Schlüsselstellen genau
einprägen und zeigte sich dabei beeindruckt vom Schwierigkeitsgrad
der Etappen. Leider war diese seriöse Vorbereitung vergeblich,
wie wir in der Zwischenzeit erfahren mussten.
Bezeichnend für den GP Tell, Ausgabe 2006
ist die Tatsache, dass auch in der zweiten Reihe viele Fahrer
bereit sind, ihre Chance zu nutzen. Zu dieser Kategorie gehören
neben den beiden Österreichern Stefan Denifl und Markus Eibegger
zwei weitere Franzosen: Jean-Charles Sénac und Blaise Sonnery.
Sonnery wird in den französischen Fachmedien einhellig als
der zur Zeit mit Abstand beste Kletterer im Amateurbereich bezeichnet.
Aufmerksamkeit verdienen auch der Moldawier Alexander Pliushin
und der Tunesier Rafaa Chtioui. Chtioui, 2004 in Verona erster
Medaillengewinner an einer Rad-WM für den afrikanischen Kontinent,
hat eine Schweizer Vergangenheit. 2004 und 2005 absolvierte er
unter der Ägide des ehemaligen Profis Daniel Gisiger ein
Stage am Centre Mondial du Cyclisme in Aigle. Seit Anfang 2006
fährt er für das Nachwuchsprogramm der franz. Protourmannschaft
AG2R in Chambéry. Sein Einstieg dort war allerdings von
einigen Startschwierigkeiten geprägt, die dazu führten,
dass sich der junge Tunesier sportlich noch nicht richtig entfalten
konnte. Es ist allerdings damit zu rechnen, dass sich der Gewinner
des Amateur-Jahresklassements 2005 von Swiss Cycling in seiner
"alten Heimat" zu einem richtigen Effort zwingen kann.
Gespannt darf man sein: Chtioui hat in den letzten zwei Monaten
nur ganz wenige Wettkämpfe bestritten, um sich speziell auf
die Tellentour vorzubereiten.
Schliesslich nehmen auch mehr als 20
Schweizer den beschwerlichen Weg über die Innerschweizer
Strassen unter ihre Räder. Als heisser Kandidat für
den Gesamtsieg hat sich in dieser Saison eigentlich keiner so
richtig empfohlen. Hingewiesen sei hier aber doch auf den Emmentaler
Marcel Wyss. Er fährt seit dieser Saison in Diensten des
spanisch-schweizerischen Saunier-Duval Teams. Seine beste Leistung
zeigte der Junioren Schweizermeister von 2004 im Rahmen der Thüringen-Rundfahrt,
wo er den zehnten Gesamtrang belegte.
Res Oppliger / 16.08.2006
GP TELL IN ZAHLEN UND FAKTEN
Der Rennablauf
Mittwoch, 23. August: Prolog in Luzern 1.8
Km
Donnerstag, 24. August: Sarnen - Sarnen 139.3 Km
Freitag, 25. August: Kriens - Kriens 142.7 Km
Samstag, 26. August: Pfaffnau - Pfaffnau 149.0 Km
Sonntag, 27. August: Pfaffnau - Sursee 154.7 Km
Gesamtlänge: 587.5 Km
Höhendifferenz: 9'032Höhenmeter
Nationalteams |
Markenteams |
- Schweiz
- Deutschland
- Österreich
- Frankreich
- Niederlande
- Slowenien
- Polen
- Schweden
- Luxemburg
- USA
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- FC Barcelona (ESP)
- Thüringer Energie Team (GER)
- Team Konica Minolta (Südafrika)
- Premier St. Petersburg (RUS)
- Rabobank Continental Team (NED)
- Team Löwik Vanlosser (NED)
- AG2R Chambéry Cyclisme (FRA)
- Hadimec Cycling Group (SUI)
- VC Mendrisio-PL Valli Casinò Admiral (SUI)
- Team Mixte Suisse Centrale (SUI)
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