10 Jahre GP Tell unter Ära Guido Graf: Ein Ausblick und Rückblick
Interview mit Guido Graf
Der Tourdirektor beantwortet die Fragen von Res Oppliger.
Res Oppliger (RO): Von der Topographie her ist der Tell 2009 sicher nicht einfach. Sehen Sie das auch so?
Guido Graf (GG): Absolut! Nach der topografisch eher leichteren Ausgabe 2008 wollten wir 2009 bewusst wieder ein paar Berge mehr in den Streckenplan einbauen. Unser Tourplaner Noldi Henseler hat einmal mehr ganze Arbeit geleistet. Mit dem Glaubenberg am letzten Tag ist die Spannung sicher bis zuletzt garantiert.
Glücklicherweise können wir wieder auf top-motivierte Etappenorte zählen. Mit ihnen steht und fällt die Stimmung an unserem Rennen. Immer wieder loben uns v.a. die ausländischen Teams für die Ambiance an den Etappenorten und das Klima im ganzen Renntross. Dazu müssen wir Sorge tragen, denn neben der soliden Organisation ist die Atmosphäre am Tell eines unserer wichtigsten Verkaufsargumente.
RO: Die Altersgrenze für den GP Tell wurde aufgeweicht – Wieso? GG: Gut, mit diesem Schritt haben wir uns intern schon länger beschäftigt. Das Argument, dass Schweizer Fahrer Mühe haben, im Inland geeignete Plattformen zu finden, um sich für schwierigere Aufgaben zu empfehlen, hat uns überzeugt. Ich hoffe darauf, dass wir für die einheimischen Nachwuchsfahrer diesbezüglich etwas leisten können. Andererseits erwarten wir uns von den Eidgenossen aber auch eine offensive Fahrweise, wenn sie schon in dieser Stärke antreten können.
RO: Das tönt ziemlich fordernd.
GG: Ja, richtig. Seit meine Crew im Jahr 2000 das Rennen übernommen hat, waren Schweizer Erfolge am GP Tell an einer Hand abzuzählen. Man muss sich vorstellen, die dritten Gesamtränge von Gregi Rast 2002 und Florian Stalder 2003 waren die einzigen einheimischen Glanzlichter unter meiner Ägide. Ansonsten haben eindeutig die hungrigen Ausländer den Tell dominiert.
Dieses Jahr glaube ich fest an einen Schweizer Sieg. Dieser ist wirklich überfällig, nachdem Ösi Camenzind 1997 zum letzten Male gewann. Mit Mathias Frank vom Veloclub Pfaffnau steht sicher der Topfavorit am Start. Er hat im letzten Jahr bei Gerolsteiner und 2009 bei BMC angedeutet zu was er fähig ist. Ihm traue ich viel zu. Wenn's denn nicht der Tell-Sieg ist, dann wird er sicherlich auch sonst seinen Weg gehen.
RO: A propos Weg gehen: Ihre berufliche Karriere könnte schon bald eine entscheidende Wendung nehmen. Ihre Wahl als zukünftiger Regierungsrat scheint nur noch Formsache zu sein.
GG: Da ist noch gar nichts sicher. Lassen wir erst die Bevölkerung am 27. September entscheiden, dann sehen wir weiter. Sollte ich tatsächlich das Vertrauen der Luzernerinnen und Luzerner bekommen, müsste ich über einige Bücher gehen. Eins dieser Bücher trägt auch den Titel GP Tell. Wie es in dieser Hinsicht weitergehen könnte, will und werde ich nicht alleine, sondern zusammen mit meinem Team entscheiden. Vorweg nehmen möchte ich zum heutigen Zeitpunkt noch gar nichts.
Klar ist für mich, dass wir den GP Tell auch sonst weiter entwickeln müssen. Wir wollen unseren Anlass für das Publikum attraktiver machen, indem wir in den Etappenorten noch mehr auf die Beine stellen, als nur das reine Radrennen.
RO: Trotzdem haben Sie Grund zum feiern: Bereits zum 10. Mal wird der GP Tell unter Ihrer Regie durchgeführt. Welches waren Ihre persönlichen Höhe- bzw. Tiefpunkte in dieser Zeit?
GG: Fangen wir gleich mit dem Tiefpunkt an. Keine Frage, das war die Absage 2005 nach den verheerenden Überschwemmungen in der Zentralschweiz. Das war eine unheimliche Gratwanderung und ein schwieriger Entscheid, der mir einiges abgerungen hat. Unglaublich, was wir in diesem Jahr aber auch für Solidarität und Unterstützung unseres Umfelds erfahren haben. Wenn wir diesen Support von Seiten der Sponsoren nicht erhalten hätten, würde der Tell heute nicht mehr existieren.
Highlights gab es viele. Als im Jahr 2000 in Luzern zum ersten Mal die Räder wieder rollten, war dies ein ganz spezieller Moment. Besonders gerne erinnere ich mich auch an die Königsetappe von 2004 nach Zweisimmen, wo eine phantastische Zuschauermenge den Lokalmatadoren Florian Stalder erwartete. Schliesslich beeindruckte mich Mathias Frank vor zwei Jahren mit seinem Solosieg am letzten Tag in Arosa.
RO: Herzlichen Dank für das Interview!
14.08.2009 Res Oppliger
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